Kontakt | Suche

Kreuzstadl - Panorama
Die strafrechtliche Ahndung des Massakers nach Kriegsende

Das Massaker von Rechnitz war nach dem Ende des NS-Regimes Gegenstand zweier Prozesse und einer gerichtlichen Voruntersuchung. Das erste Verfahren („Rechnitz I“) wurde vom Volksgericht Wien bereits im Oktober 1945 gegen Eduard Nicka (ehemaliger Kreisleiter von Oberwart), Franz Podezin (ehemaliger NSDAP-Ortsgruppenleiter von Rechnitz) und sieben weitere Personen eingeleitet und die Voruntersuchung in der Folge auf weitere Verdächtige ausgedehnt. Vor Gericht gestellt wurden am Ende aber nur sechs Personen, darunter Ludwig Groll (ehemaliger Bürgermeister der Stadt Oberwart), Josef Muralter (Leiter des Unterabschnittes „Rechnitz II“ beim „Südostwallbau“), Hildegard Stadler (Kanzleikraft im Einsatzstab beim „Südostwallbau“) sowie der Kutscher der Gutsverwaltung des Schlosses Rechnitz. Das Verfahren gegen einen Beschuldigten war mangels Zusammenhanges ausgeschieden, gegen fünf Personen eingestellt (in zwei Fällen wegen des Todes des Beschuldigten) beziehungsweise gegen acht weitere Verdächtige ausgeschieden und unter einer neuen Gerichtszahl (Verfahren „Rechnitz II“) weitergeführt worden. Am 3. Juli 1948 wurden zwei Angeklagte und am 15. Juli 1948 Hildegard Stadler und ein weiterer Angeklagter freigesprochen. Ludwig Groll wurde am 15. Juli 1948 zu acht Jahren schwerem Kerker und Vermögensverfall, Josef Muralter zu fünf Jahren schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt.
Das Verfahren „Rechnitz II“ war im Dezember 1947 aus dem Verfahren „Rechnitz I“ ausgeschieden worden und wurde gegen acht Beschuldigte geführt. Die Erhebungen konzentrierten sich in der Folge immer mehr auf die Person des ehemaligen Kreisleiters von Oberwart, Eduard Nicka, gegen den unter anderem wegen Mordes (Massaker von Rechnitz und Deutsch-Schützen) und Brandlegung (Inbrandsteckung des Oberwarter Rathauses zu Kriegsende) ermittelt wurde. In den anderen sieben Fällen erfolgte die Abbrechung des Verfahrens, weil die Täter nicht ausfindig gemacht werden konnten, beziehungsweise die Einstellung des Verfahrens. Eduard Nicka wurde am 1. Oktober 1948 wegen Illegalität (Zugehörigkeit zur NSDAP vor dem 13. März 1938) zu drei Jahren schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt. Im Juli 1948 war das Verfahren gegen ihn hinsichtlich des Mordvorwurfes und der Brandlegung eingestellt worden.
Im August 1948 war das Verfahren gegen sechs Beschuldigte, darunter Franz Podezin und der ehemalige Gutsverwalter des Schlosses Batthyány Oldenburg dem Verfahren „Rechnitz II“ ausgeschieden worden. Das Verfahren musste zunächst vorläufig abgebrochen werden, da in keinem Fall der Aufenthalt des Beschuldigten bekannt war. In Bezug auf Podezin und den ehemaligen Gutsverwalter nahmen die Ermittlungsbehörden an, dass sich die beiden gemeinsam mit der Gräfin Batthyány in der Schweiz befinden und beabsichtigen würden, gemeinsam mit der Gräfin dem bereits ausgewanderten Ehemann der Gräfin nach Südamerika zu folgen. Ein mutmaßlicher Täter konnte von den Behörden zwar ausgeforscht werden, das Verfahren gegen ihn wurde jedoch im Dezember 1953 eingestellt, da die Beweise für eine Anklageerhebung nicht ausreichend waren. Der Aufenthalt des ehemaligen Gutsverwalters wurde 1963 in Deutschland ermittelt; auch gegen ihn wurde das Verfahren eingestellt, und zwar im September 1965. Der Haupttäter, Franz Podezin, ist vermutlich in Südafrika untergetaucht.

Links/Downloads

Burgenländisches Landesarchiv, Eisenstadt: Vorläufiger Ermittlungsakt (Originalakt) der Sicherheitsdirektion für das Burgenland betreffend „Massenmord in Rechnitz“, Bestand I/7, SD 102-7/46. Eine Abschrift dieses Ermittlungsaktes befindet sich im Gerichtsverfahren „Rechnitz I“ (siehe Wiener Stadt- und Landesarchiv).

Im Wiener Stadt- und Landesarchiv werden die Volksgerichtsverfahren „Rechnitz I“ (Vg 2f Vr 2832/45), „Rechnitz II“ (Vg 11d Vr 190/48) und „Rechnitz III“ (Vg 8e Vr 70/54), die nach dem Ende des NS-Regimes wegen des Massakers von Rechnitz geführt wurden, aufbewahrt.

Eva Holpfer, Das Massaker an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter in Rechnitz (Burgenland) und seine gerichtliche Ahndung durch die österreichische Volksgerichtsbarkeit. (pdf - 108kb)

Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen Stefan Beiglböck und andere wegen Verbrechens des Mordes, 27. November 1947, in: Widerstand und Verfolgung im Burgenland 1934-1945. Eine Dokumentation, hrsg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, 2. Auflage, Wien 1983. (pdf - 1357kb)

Die Täter: Pressespiegel 1948 - 1951

Literatur

Benedikt Friedman, "Iwan, hau die Juden!" Die Todesmärsche ungarischer Juden durch Österreich nach Mauthausen im April 1945, aus der Schriftenreihe "Augenzeugen berichten", hrsg. vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich in St. Pölten und "Österreich-Literaturforum" in Wien, Heft 1, St. Pölten 1989.

Heimo Halbrainer, Christian Ehetreiber, Todesmarsch Eisenstraße 1945. Terror, Handlungsspielräume, Erinnerung: Menschliches Handeln unter Zwangsbedingungen. Graz: Clio (Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit) 2005.

Peter Kammerstädter, Der Todesmarsch ungarischer Juden von Mauthausen nach Gunskirchen im April 1945. Eine Materialsammlung nach 25 Jahren, Linz 1971.

Eleonore Lappin, Das Schicksal der ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter in Österreich, S. 20, in: Sommerakademie-News, Institut für Geschichte der Juden in Österreich, Heft 6/96, S. 18-21.

Szabolcs Szita, Die Todesmärsche der Budapester Juden im November 1944 nach Hegyeshalom-Nickelsdorf, in: Zeitgeschichte, 22. Jg., Heft 3/4, März/April 1995, S. 124-137.

Szabolcs Szita, Verschleppt, verhungert, vernichtet. Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet des annektierten Österreich 1944-1945, Wien 1999.

Susanne Uslu-Pauer, "Vernichtungswut und Kadavergehorsam" - Strafrechtliche Verfolgung von Endphaseverbrechen am Beispiel der so genannten Todesmärsche. In: Thomas Albrich/Winfried R. Garscha/Martin F. Polaschek (Hrsg.), Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. Der Fall Österreich. Innsbruck 2006, S. 279-304.